Passau/Wien. Die Familien mit ihren kleinen Kindern rücken auf den Folien und Decken ganz nah zusammen. Die Kälte und Feuchtigkeit macht ihnen in der Nacht zu schaffen. Stundenlang warten rund 2500 Flüchtlinge, darunter viele Säuglinge, auf der österreichischen Seite bei Wegscheid auf einer nassen Wiese im Licht der Scheinwerfer.
Die Temperaturen auf 700 Metern Höhe liegen bei etwa zwei Grad, am Boden knapp darunter. Nebenan fließt ein Bach, der zudem Kälte und Nässe bringt.
"Was sind schon zehn Büsse, wir bräuchten 40"
"Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das erste Baby hier erfriert", sagt Lothar Venus von der Stabsstelle des Landkreises Passau. Er geht davon aus, dass die viele der wartenden Menschen die komplette Nacht in der Kälte ausharren müssen. Das Problem ist, dass es auf deutscher Seite zu wenige Busse gibt, um die Flüchtlinge in die Unterkünfte in Bayern zu bringen. Am Abend heißt es, dass zehn Busse aus München kommen sollen. Diese können aber nur etwa 600 Menschen zu den Unterkünften bringen.
"Was sind bei dieser Menschenmenge schon zehn Busse, wir bräuchten hier 40, um die Menschen rasch ins Warme zu bringen", schimpft Venus. Die Gefahr bestehe, dass sich die Flüchtlinge irgendwann selbst in Bewegung setzen und auf eigene Faust den Weg nach Deutschland suchen. Dabei müssten sie drei Kilometer an der unbeleuchteten Bundesstraße entlanggehen - bei Dunkelheit eine lebensgefährliche Aktion. Zwei Nächte zuvor hatten bereits 1000 Flüchtlinge die Sperre der deutschen Bundespolizei durchbrochen und hatten sich auf den Weg gemacht.
Dieses Szenario gilt es für die deutschen Beamten in dieser Nacht zu vermeiden. Es gelingt ihnen - auch mit Hilfe eines Unternehmers aus Wegscheid. Kurzfristig räumt dieser eine Werkstatthalle frei und stellt sie als Notquartier zur Verfügung. Ein Bus wird abgestellt und im Pendelverkehr werden 300 Menschen bis kurz nach Mitternacht in die Halle gebracht. Sie haben nach Stunden in der Kälte wenigstens ein Dach über dem Kopf.
Frierend auf kaltem Asphalt
Unvermindert hoch ist auch die Zahl der Flüchtlinge an der Grenze zwischen Achleiten und Passau. Dort hatten die österreichischen Behörden im Laufe des Mittwochs etwa 40 Busse mit etwa 2500 Flüchtlingen an die Grenze gebracht. Vom Roten Kreuz bekommen sie Tee, Gemüsesuppe, Zwieback und Obst. Die Decken, die die Helfer bereithalten, nehmen nur die wenigsten Migranten an. Sie haben schlicht Angst, Zeit zu verlieren, wenn sie aus der Schlange der Wartenden treten und sich wieder hinten anstellen müssen. Stunden später bereuen sie dies: Frierend hocken oder schlafen sie auf dem kalten Asphalt. Manche wärmen sich an einem offenem Feuer. Es dauert in dieser Nacht Stunden, bis sie in eine warme Unterkunft kommen.
Unverständlich ist nach wie vor, warum die Österreicher die große Zahl an Flüchtlingen erst am Nachmittag und Abend an die Grenze bringen. "Bis zum Mittag ist das alles kein Problem. Aber am späten Nachmittag geht es Schlag auf Schlag. Dabei sind die österreichischen Kollegen genauso überfordert wie wir", erklärt der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung, Thomas Schweikl.
4.000 Menschen in Spielfeld
4.000 Flüchtlinge haben die Nacht auf Donnerstag in Spielfeld im steirischen Bezirk Leibnitz verbracht. Frauen und Kinder konnten in beheizten Zelten untergebracht werden, etwa 300 Personen mussten die Nacht jedoch im Freien verbringen. Diese wurden mit Wolldecken, Alu-Isolierdecken und warmen Getränken versorgt, berichtete die steirische Polizei am Donnerstag in der Früh.
Am Mittwochabend hatten etwa 3.500 Menschen versucht, über die Grazer Straße (B67) nach Österreich zu gelangen. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich insgesamt über 6.000 Menschen in der Erstversorgungsstelle in Spielfeld auf. Rund 2.000 Flüchtlinge wurden in den Abendstunden in Notunterkünfte in Graz und in anderen Bundesländern gebracht. Auch am Donnerstag wurde der rasche Weitertransport mittels Bussen bereits wieder aufgenommen.
In Bad Radkersburg (Bezirk Südoststeiermark) kam es in der Nacht zu keinem Grenzübertritt, derzeit befinden sich dort keine Flüchtlinge. Für Donnerstag werden an beiden Grenzübergängen insgesamt mehrere tausend Flüchtlinge erwartet.
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